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RAW - oder "Warum sich der zusätzliche Aufwand digitaler Negative lohnt"

In diesem Artikel möchte ich eine Lanze für die Fotografie im RAW-Format brechen. Gerade Einsteiger stellen mir oft die Frage, warum es denn nötig sei, in RAW zu fotografieren, ob nicht JPEG auch ausreiche und monieren, dass man sich als Anfänger ja nicht mit zusätzlichem Aufwand belasten möchte. Auch ich habe viel zu lange nur JPEGs fotografiert und ärgere mich inzwischen darüber. Deshalb möchte ich die Chancen und auch die Nachteile beleuchten, die RAW-Formate mit sich bringen. Der Artikel wird streckenweise sicher ein bisschen technisch ausfallen, aber ich werde mir Mühe geben, alle Fachbegriffe einsteigerfreundlich zu erklären, damit am Ende auch ein Erkenntnisgewinn bleibt.

Was ist RAW?

Mit dem Begriff "RAW" (engl. "roh", englische Wikipedia) bezeichnet man die Rohdaten, die beim Fotografieren weitestgehend ohne Wandlungen aus dem Bildsensor ("Chip") der Kamera gelesen werden. Sie werden ohne Umwege in eine Datei geschrieben und enthalten alle Licht- und Farbinformationen, die der Chip messen kann. Daher bilden sie einen sehr großen Farbraum ab. RAW-Dateien sind jedoch üblicherweise auch spezifisch für den Bildsensor einer Kamera, so dass eine Speicherung (anders als bei pixelbasierten Formaten wie JPEG) exakt so erfolgt, wie die Messpunkte auf dem Chip angeordnet sind. Bei den Bayer-Sensoren, die heute in allen gängigen Kameras verbaut werden, sind 25% der Messpunkte auf dem Chip für rote, 50% für grüne und 25% für blaue Bildinformationen verantwortlich. Sie sind daher nicht gleichmäßig angeordnet, sondern in so einem charakteristischen Raster:

 

Bayer matrix
Bayer-Raster (Foto: Amada44 (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons)
 

Eine RAW-Datei enthält einen einleitenden "Dateikopf", Daten über den Bildsensor, Daten über das eigentliche Bild, ein Miniaturvorschaubild und die eigentlichen Bildinformationen.

Um aus der RAW ein gebräuchlicheres Format wie z. B. JPEG zu erzeugen, exportiert man die RAW-Datei in ein beliebiges Zielformat. Dazu benutzt man eine Software, die über einen RAW-Converter verfügt, wie z. B. Adobe Photoshop Lightroom oder Adobe Camera Raw. (Bei Fotocommunity.de gibt es eine Liste aller aktuellen RAW-Converter.) Der Exportvorgang ist damit das digitale Äquivalent zum Entwickeln von Filmnegativen, wie man es zu Zeiten der analogen Fotografie z. B. mit Roll- oder Diafilmen tat.

Beim Export der RAW-Dateien wird aus dem Rasterbild der Sensordaten, bei denen jeder Messpunkt nur eine Farbe hat, mittels mathematischer Verfahren ein Pixelbild errechnet ("Demosaicing"), so dass jeder Bildpunkt ("Pixel") Farbinformationen zu allen drei Grundfarben enthält. Die benachbarten Grundfarben und Helligkeitswerte werden interpoliert (also "qualifiziert geraten"). Dabei fließen alle in der RAW-Bearbeitung gesetzten Parameter mit in die Berechnung ein.

Auch wenn erst einmal alle Digitalkameras ihre Bilder im RAW-Format aufnehmen, war das Abspeichern von Aufnahmen im RAW-Format lange nur Spiegelreflexkameras der Premiumklasse vorbehalten. Inzwischen haben sie sich jedoch ihren Weg über die Mittelklasse, die Einsteigerklasse, die kompakten Systemkameras bis hinein in die Bridgeklasse gebahnt. Generell wird die Erstellung von RAWs jedoch häufiger unterstützt, je hochwertiger die Kamera ist. Einsteigerkameras und Smartphonekameras sind dagegen üblicherweise nicht in der Lage, RAWs zu schreiben.

 

"Nikon D70S CCD sensor" von camera_recycler bei Flickr
"Nikon D70S CCD sensor" von camera_recycler bei Flickr (CC BY 2.0)

 

Welche Formate gibt es?

RAW-Formate gibt es so viele, wie es Kameratypen gibt. Da jede RAW-Datei spezifische Daten des jeweiligen Sensortypen enthält, gibt es selbst bei Kameras aus der gleichen Familie eines einzigen Herstellers schon so große Unterschiede, dass man streng genommen nicht mehr vom gleichen Dateityp sprechen kann. Außerdem enthalten die RAW-Dateien einiger Hersteller (z. B. Panasonic) auch noch Informationen zur Korrektur von chromatischer Aberration (ein Abbildungsfehler, bei dem an Bildkanten lila oder grüne Farbsäume entstehen) oder andere Zusatzinformationen.

Grundsätzlich ist es jedoch so, dass die Hersteller jeweils ihr eigenes Überformat mit eigener Dateiendung spezifizieren, das dann die Daten ihrer unterschiedlichen Kameras aufnehmen kann. So verwendet Canon z. B. das .CR2-Format, Nikonkameras schreiben .NEF-Dateien und bei Sony kommt das SR2-Format zum Einsatz. Die meisten dieser Formate basieren zudem auf dem TIFF-Standard, der in der Welt der professionellen Fotografie weit verbreitet und bereits lange stabil ist.

Einen umfangreicheren Beitrag zu diesem Thema gibt es demnächst.

Welche Vorteile hat RAW?

Die Benutzung von RAW-Dateien hat viele Vorteile, für die es sich lohnt, den Mehraufwand in Kauf zu nehmen. Zum Einen ist da das Mehr an Bildinformationen: RAW-Aufnahmen speichern je Farbkanal (rot, grün oder blau) 4.096 Farben (bei 12Bit-RAWs) oder 16.384 Farben (bei 14Bit-RAWs). Demgegenüber bieten JPEGs nur 8 Bit bzw. 256 Farbabstufungen pro Farbkanal. Dadurch sind deutlich feinere Farbabstufungen möglich, mit denen man (in Grenzen) auch HDR-Effekte (High Dynamic Range / Bilder mit hohem Dynamikumfang) nachbilden kann. Außerdem kann man durch den größeren Dynamikumfang auch stark unterbelichtete Fotos besser korrigieren oder scheinbar überstrahlten Himmel noch "retten". Darüber hinaus hat man eine weitaus feinere Kontrolle über die Entwicklungsparameter. So kann man beispielsweise den Weißabgleich Kelvin-genau einstellen und die Schärfungsparameter von Hand setzen, statt sie der Automatik der Kamera zu überlassen. Dadurch bekommt man die bestmöglichen Ergebnisse aus dem Bildsensor, weil die Umwandlung in JPEG-Bilder erst auf dem PC passiert und nicht schon im wesentlich leistungsschwächeren Bildprozessor der Kamera. Kompressionsartefakte und Tonwerttrennung werden besser vermieden, die Pixelberechnung ist genauer.

WeißabgleichJPG

 

Weißabgleich im JPEG (+-100 Stufen, gesetzt auf Stufe -19)

 

WeißabgleichRAW

Weißabgleich im RAW (50.000 Stufen in Kelvin, gesetzt auf 4386K)

 

Außerdem kann die RAW-Datei als Datei mit einem beliebigen Farbraum exportiert werden, so dass sie z. B. für den professionellen Druck vorbereitet werden kann. JPEGs liegen dagegen meist im wesentlich kleineren sRGB-Farbraum vor, der längst nicht alle Farben der ursprünglichen RAW-Datei abbilden kann.

Welche Nachteile hat RAW?

Den Vorteilen der RAW-Dateien stehen natürlich einige Nachteile gegenüber. Der Speicherbedarf von RAW-Dateien ist ca. 4-6 Mal größer als der von JPEGs, was aber mit der verlustfreien internen Komprimierung teilweise kompensierbar ist. Außerdem wird mit dem technischen Fortschritt Speicherplatz immer billiger, so dass der wachsende Speicherbedarf kaum ein Problem darstellt. Bei meiner Canon EOS 550D (mehr Informationen bei www.dpreview.com) sind RAW-Dateien ca. 24 MB, die dazugehörigen JPEGs direkt aus der Kamera ca. 6 MB groß.

Dazu kommt natürlich der zusätzliche Umwandlungsaufwand, weil aus den RAW-Dateien JPEGs exportiert werden müssen.

Bei actionreichen Shootings muss man außerdem die langsameren Bildfolge bei Aufnahmen berücksichtigen, weil der Bildzwischenspeicher sich wegen der größeren Dateien schneller füllt. Wenn der Puffer voll ist, kann man für eine Weile keine weiteren Aufnahmen machen. (Wenn ein Bild aufgenommen wird, misst der Sensor die Helligkeitswerte der drei Grundfarben. Anschließend werden die Sensorwerte ausgelesen und in einen Zwischenspeicher ("Puffer") geschrieben, von wo aus sie als Datei auf die Speicherkarte geschrieben werden. Der Puffer ist nur für eine kleine Anzahl an Fotos dimensioniert, dafür aber sehr schnell beschreibbar und lesbar.) Schnellere Speicherkarten (z. B. SDHC Class 10 Karten) können diesen Nachteil teilweise ausgleichen, sofern die Kamera in der Lage ist, die Bilddaten schnell genug auf die Karte zu schreiben.

Fazit

Die RAW-Formate bieten qualitätsbewussten Hobbyfotografen und Profis mehr als genug Möglichkeiten, das Beste aus ihren Fotos herauszuholen. Dafür lohnt es sich, die Nachteile und den Zusatzaufwand in Kauf zu nehmen.

Fragen? Fragen! Entweder in den diversen sozialen Netzen, in den Kommentaren unter diesem Artikel oder persönlich bei der nächsten #DDnPic Nachtfototour (Nachlese zum ersten #DDnPic, Nachlese zum zweiten #DDnPic).

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Vielen Dank an @t4paulchen für's Korrekturlesen!